Die D-Kurse werden digital: Momentan läuft in den Kreisverbänden Böblingen und Biberach ein spannendes Pilotprojekt. Der D1-Lehrgang wurde neu konzeptioniert und in diesem Zuge auch digitalisiert. Wir sprachen mit der stellvertretenden Landesvorsitzenden Daniela Klein über den Prozess und die App, mit der das ganze nun umgesetzt wird.
Frau Klein, wie kam es zur Idee für die digitale D-Reihe?
Der Landesvorsitzende Dr. Florian Mayer hat mich im Februar 2021 angerufen, weil das Amt des stellvertretenden Landesvorsitzenden frei wurde. Ich habe damals meinen Master in Trossingen gemacht, dabei ging es hauptsächlich um Musik und digitale Medien. Und weil damals schon ein größeres Projekt hinsichtlich einer moderneren, digitalen D1-Vorbereitung geplant war, ist man auf mich gekommen. Das Amt sollte dann zunächst einmal vor allem an diese Aufgabe gekoppelt sein.
Auslöser für die Überlegungen in Richtung Digitalisierung war die nach wie vor fehlende Akzeptanz der Mannheimer Bläserschule bei vielen Musikvereinen in Kombination mit immer größer werdenden Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung des Gehörbildungsteils mit CDs: immer weniger Menschen haben heute einen CD-Player oder auch einen PC bzw. Laptop mit CD-Laufwerk, hier gab es also sowieso Handlungsbedarf.
Was waren Meilensteine auf dem Weg zum aktuellen Pilotprojekt?
Mir war es sehr, sehr wichtig, dass wir bei der Umsetzung von Anfang an die Vereine und die Kreisverbände miteinbeziehen. 2021 haben wir uns im ersten Schritt an den Stoffverteilungsplan gemacht und abgefragt, welche Inhalte aus dem bisherigen Konzept überhaupt relevant sind. In der Herbsttagung haben wir diesen Plan dann mit den Kreisverbandsjugendleitern abgestimmt.
Im zweiten Schritt haben wir uns auf dem Markt umgesehen, was es denn für Möglichkeiten gibt. Der Traum war natürlich eine eigene App, vom Studium her wusste ich aber, dass das sehr kostspielig ist. In einem Testlauf mit dem Kreisverband Böblingen haben wir die Kids dann verschiedene Tools und Apps ausprobieren lassen und gefragt, was ihnen gefällt. Daraus haben wir wichtige Erkenntnisse gewonnen. Zum Beispiel waren wir absolut überzeugt davon, dass Erklär-Videos doch total cool wären. Das Ergebnis war dann aber, dass die Kids das überhaupt nicht cool, sondern sehr schnell sehr langweilig fanden.
Im dritten Schritt, den ich dann 2023 mit meiner Master-Arbeit verknüpfen konnte, habe ich untersucht, wie die Kreisverbände aufgestellt sind, also welche technologischen Voraussetzungen gegeben sind und wie die Akzeptanz bei den Vereinen ist, mit digitalen Tools zu arbeiten: Was muss eine App können, damit die Vereine einen Mehrwert für sich erkennen? Aus diesen Gesprächsrunden haben wir noch einmal wertvolle Erkenntnisse gesammelt und darauf basierend eine generelle Umfrage erstellt, in der ganz konkrete Dinge abgefragt wurden: Wollt ihr ein gedrucktes Heft oder ein PDF zum Download? Soll die Lehrkraft sehen können, welche Aufgaben die Schülerinnen und Schüler wie gut gemacht haben oder nicht?
Im Juni 2024 haben wir dann mit der Ausarbeitung angefangen. Grundlage ist nun ein PDF mit allen Inhalten. Es war von Anfang an klar, dass es nicht nur eine App geben wird, sondern auch analoges Material. Das Ergebnis ist seit Februar fertig und wird gerade im Pilotprojekt mit den Kreisverbänden Böblingen und Biberach getestet. Geplant war eigentlich nur, ein PDF zum Download, im Zuge des Pilotprojekts wird nun aber gerade diskutiert, ob evtl. doch auch eine kleine Auflage gedruckt wird.
Gibt es inhaltliche Änderungen im Vergleich zur Mannheimer Bläserschule?
Ja, es gibt einige wenige Änderungen: Die enharmonische Verwechslung ist beispielsweise nun schon bei D1 wieder ein Thema. Bei den Intervallen war die Feinbestimmung bisher bis zur Quinte vorgesehen, jetzt machen wir die Grobbestimmung bis zur Oktave. Im Prinzip gehen wir also ein bisschen back to the roots analog zum früheren Leitfaden [Anm. d. Red.: Standard-Lehrwerk für die D-Kurse vor der Mannheimer Bläserschule].
Und welche App wird nun im Pilotprojekt getestet?
Tatsächlich gab es auf dem Markt nichts, was man 1:1 hätte übernehmen können. Überzeugt hat uns schließlich die Musikunterricht-App EARZ, die auch international von vielen Schulen genutzt wird. Sie ist browserbasiert und funktioniert mit allen Betriebssystemen und auf allen digitalen Endgeräten sowie am PC bzw. Laptop. Für die Nutzung der App buchen wir Jahres-Abos, wir müssen also finanziell nicht in Vorleistung gehen.
Das einzige Manko: Man braucht für die Nutzung Internet, was aber nicht in allen Jugendherbergen, in denen D-Kurse angeboten werden, gegeben ist. Gleichzeitig macht uns das natürlich unglaublich flexibel – Veränderungen können jederzeit vorgenommen werden und auch Updates sind kein Problem, wie es bei lokalen Lösungen der Fall gewesen wäre.
Wie ist die App aufgebaut und wie funktioniert sie?
Das Grundkonstrukt ist für Schulen gemacht, weil EARZ bisher ausschließlich mit Schulen zusammenarbeitet. In dieses System mussten wir uns einfügen: Die Kreisverbände sind deshalb in der Organisationsebene Schulen, die Vereine sind Klassen und in den Klassen gibt es Schülerinnen und Schüler sowie deren Theorie-Lehrkräfte.
In der App gibt es einen Grundstock an Spielen, die auf die Inhalte des PDFs angepasst sind. Zu Beginn des Spiels werden die abgefragten Inhalte auch noch einmal anhand von Screenshots aus dem PDF erklärt. Die Spiele haben Challenge-Charakter, man erhält Belohnungen und Abzeichen für erspielte Punkte wie beispielsweise die „bronzene Triangel“. Aber auch der Verein erhält Punkte – und diese sind für alle andere Vereine des Kreisverbands sichtbar. Schon in der Anfangsphase des Pilotprojekts ist aufgefallen, dass der Punktestand vom Nachbarverein für die Kinder ein enormer Ansporn sein kann (lacht). Jedes Spiel kann von den Lehrkräften aber verändert und angepasst werden – und es können komplett neue Spiele erstellt werden.
Was kann die App alles leisten bzw. wofür ist sie gedacht?
Unser Hauptanliegen ist momentan die Vorbereitung. Die App soll dafür eine passende Ergänzung sein, denn: alle Inhalte aus der App – auch alle Gehörbildungsaufgaben – können auch analog gemacht werden. Wir stellen alle Inhalte zum Download zur Verfügung. Die App wäre technisch außerdem dazu in der Lage, die Prüfungen abzunehmen, das wollen wir aber im ersten Schritt nicht. So wie die D-Kurse momentan ablaufen – also 100 Schülerinnen und Schüler sitzen in einer Jugendherberge und machen zum gleichen Zeitpunkt die Theorieprüfung – könnte es da technisch noch einige Hürden geben, dass wirklich alles reibungslos klappt.
In einem zweiten Schritt könnte ich mir gut vorstellen, dass der ganze Kurs vielleicht etwas umstrukturiert wird und dann zu Beginn eines fünftägigen D1-Kurses beispielsweise ein Übungstest geschrieben wird. Wer da eine bestimmte Punktzahl hat, kann sich von Betreuer X ein Tablet geben lassen und die Theorieprüfung dann schon an Tag 2 in der Mittagspause machen.
Und wie geht’s weiter?
Wir erwarten im Sommer und Herbst das Feedback vom Pilotprojekt, dann gehen wir in die Überarbeitung und hoffen, dass nächstes Jahr alle Kreisverbände, die Interesse haben, auf diesem Weg ihre D-Kurse machen können. Es wird aber auf jeden Fall eine Übergangszeit geben, in der die Vereine nach wie vor die Mannheimer Bläserschule nutzen können.
D2 und D3 sollen – sofern das Pilotprojekt für alle zufriedenstellend verläuft – in der gleichen Schiene folgen. Unser Wunsch wäre, dass die Teilnehmenden des Pilotprojekts in zwei Jahren nicht D2 mit der Mannheimer Bläserschule machen müssen, sondern auf die gleiche Art und Weise weitermachen können.