Es ist spätestens seit Charles Darwin keine neue Erkenntnis, dass sich alles, was sich behaupten will, an der Dynamik der Umstände orientieren muss. Heißt: Verändern sich die Maßstäbe, Bedürfnisse und Eigenschaften der Umwelt, muss ich mich bzw. mein „Produkt“ dahingehend überprüfen, ob es noch mithalten kann. Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Was früher selbstverständlich war, wird es nicht automatisch auch in der Zukunft sein. Wo beginnt das Marketing?
Für die Ausgestaltung des eigenen Lebens – und somit auch für den Teil der Freizeit – gibt es mittlerweile eine unüberschaubare Fälle an Optionen. Viele Vereine – auch in der Amateurmusik – haben inzwischen selbst die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn die Zahl der Mitglieder rückläufig ist; dass die nächste Generation nicht automatisch ein Instrument lernt und Lust hat, ins Orchester zu kommen und sich in der Vereinsarbeit zu engagieren. Man muss um den Nachwuchs kämpfen. Man muss ihm ein attraktives Angebot machen. Selbiges gilt für potenzielles Publikum. Und hier beginnt das Marketing.
Hier? Nein, eigentlich beginnt das Marketing viel früher. Denn wir kommunizieren ständig, auch ohne aktiv gesteuerte, bewusste Einflussnahme. Wir kommunizieren passiv und unbewusst, manchmal mehr, als uns lieb ist und manchmal missverständlich. Und wir sollten auch immer im Blick haben, was jenes über uns und unser Produkt aussagt, das wir nicht preisgeben. Die eigene Außenwirkung also von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand zu stellen und anzupassen, ist nicht nur ein Marketinginstrument, sondern die eigene Überlebensversicherung.
Grundlage für zielgerichtetes Marketing ist also die Analyse auf Basis des sogenannten „Mission Statements“ (Wer sind wir und was tun wir?). Zunächst sollte der Ist-Zustand systematisch erfasst werden: Welche Umstände und Bedürfnisse kommen von außen (externe Analyse) und was können und wollen wir aktuell und zukünftig bieten (interne Analyse)? Folglich werden Ziele präzisiert und operative Instrumente definiert, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen.
Die 4Ps des Marketing
Anschließend geht es an die Umsetzung. Wie kommen wir vom Ist-Zustand an unser Ziel? Aus dem klassischen Marketing bekannt sind die sogenannten „4Ps“: Product, Place, Price und Promotion. Sie können auch den gemeinnützigen Vereinen als Anhaltspunkte dienen, denn ob kommerziell oder nicht: Das Oberziel – bekannter zu werden und andere vom eigenen Produkt zu überzeugen – ist dasselbe. Auf Blasmusikvereine übertragen steht das Produkt für das gemeinsame Musizieren und das Vereinsleben; der Ort für die Lokalitäten, an denen geprobt und aufgetreten wird; der Preis für die Eintrittspreise zu den Konzerten sowie für Mitgliedsbeiträge; die Promotion für sämtliche Werbemaßnahmen von Plakaten und Programmheften über Merchandise bis zu Social-Media-Ads (kurz für: Advertisement = Anzeige).
Als veranschaulichendes Beispiel soll ein Weindörfle in Musterdorf dienen. An manchen Buden ist die Hölle los, an anderen ist tote Hose. Aber woran liegt das?
Die Qualität des Weines mag ein wichtiges Kriterium sein – aber eben nur für Weinkenner. Auch die Qualität eines Blasmusikorchesters wird für viele entscheidend sein. Wer sich aber damit nicht auskennt, wird sich an anderen Parametern orientieren.
Da wäre erstens der Platz: Ist der Stand auf dem Weindörfle zum Beispiel in einem engen Durchgang aufgebaut, können potenzielle Kunden kaum verweilen, weil sie sonst das Nadelöhr verstopfen. Bezogen auf das Orchester: Gibt es beispielsweise in der Nähe des Probenortes keine oder nicht ausreichend Parkplätze, wird die Mitwirkung insbesondere für den Sousaphon-Spieler oder die Tubistin unattraktiver.
Dann wäre zweitens der Preis zu nennen: Wer über das Weindorf schlendert, bleibt selten am Stand mit Wucherpreisen stehen. Für die Höhe von Vereinsbeitrag und Konzerteintritt bedeutet das: Betrag mit Fingerspitzengefühl wählen und lieber an anderen Schräubchen drehen, um die Differenz wieder reinzuholen (durch clevere Aktionen wie beispielsweise, bei der Pausenbewirtung dazu aufzurufen, Glas- und Becherpfand zum Wohle des Vereins zu spenden).
Und drittens spielen die Auf- und Bekanntmachung eine große Rolle: So mancher Besucher hat den schön dekorierten Stand, für den im Vorfeld auf verschiedenen Kanälen geworben wurde, vielleicht schon als Ziel seines Weindorf-Besuchs auserkoren – da hat er die anderen noch gar nicht gekannt. Heißt: Das Orchester, das in der Öffentlichkeit präsent ist und wahrgenommen wird, verzeichnet vermutlich eine höhere Zahl an Neuzugängen als Vereine, die keiner kennt und von denen man nichts hört.
Jeder Verein ist daher gefordert, die 4Ps auf den Prüfstand zu stellen, um nachjustieren zu können. In Bezug auf die öffentliche Selbstvermarktung folgt dem Was prompt das Wie: Welche Kanäle nutzen wir und wie bespielen wir sie? Erreichen wir so die Zielgruppe, die wir ansprechen möchten? In der heutigen Zeit kommt an Social Media nicht mehr vorbei, wer ernsthaft Pläne für die Zukunft schmiedet. Allein damit, einen Account bei Facebook zu besitzen, ist es aber nicht getan. Denn so ein Profil möchte regelmäßig mit Inhalten bestückt und aktuell gehalten werden.
Keine Zukunft ohne Social Media
Wer sich heutzutage über einen Verein oder ein Orchester informieren möchte, der googelt zunächst. Werden weder eine Homepage noch ein Profil bei einschlägigen sozialen Netzwerken – namentlich Facebook und Instagram – angezeigt, wird es das Ensemble schwer haben, attraktiv zu erscheinen. Ungünstiger ist nur, wenn die Kanäle nicht gepflegt oder unkoordiniert wahlloses Material hochgeladen wird.
Social Media ist ein weites Feld: Verschiedene Strategien, Redaktionspläne, vorgeplante Beiträge, die zu einer terminierten Zeit online gehen, Vernetzung und ein abwechslungsreich gestaltetes Content-Programm (also digitaler Inhalt wie Fotos, Kurz-Videos, Grafiken, interaktive Elemente etc.) sind nur einige Aspekte. Gerade die sozialen Medien eignen sich hervorragend, um sich zu vernetzen, weil man nicht nur die Seiten von anderen sehen kann, sondern weil man unkompliziert auf sich aufmerksam machen kann. Die digitale Version eines Flyers lässt sich online mit wenigen Klicks in Windeseile verbreiten – hier werden viel schneller mehr Personen erreicht, als wenn analog Flyer verteilt werden.
Mag die skeptische Person unseres Eingangsdialoges („Des neumodische Glomb brauch‘ i ned!“) den Nutzen von Social Media inzwischen vielleicht anerkennen, wird sie sich womöglich dennoch nicht darauf stürzen. Zu groß ist die Verunsicherung auf fremdem Terrain. Und was auch noch kompliziert aussieht, schreckt ab. Doch Kompetenzen in einem großen Kollektiv wie einem generationenübergreifenden Orchester sind meist heterogen und so ist die Wahrscheinlichkeit, unter den Vereinsmitgliedern jemanden mit Social-Media-Affinität zu finden, doch recht groß.
„Public Relations“ und „Modern Storytelling“
Um Bekanntheitsgrad und Attraktivität langfristig halten bzw. optimieren zu können, muss man sich eine Fangemeinde aufbauen und an sich binden, das sogenannte „Community Building“. PR (Public Relations) sind nichts anderes als Maßnahmen, um den Kontakt von Produkt und Konsumenten herzustellen und zu halten. Wer postet und kommuniziert, kann den Eindruck, den Außenstehende bekommen, selbst leiten und beeinflussen. Der „Blick hinter die Kulissen“ wirkt für das Publikum oft besonders magisch und anziehend, „exklusive Einblicke“ machen ein Ensemble attraktiver und nahbarer.
Um heutige Nutzerinnen und Nutzer bei der Stange zu halten, muss sich das Ensemble etwas einfallen lassen, denn sie wollen unterhalten, überrascht und emotional gepackt werden. „Modern Storytelling“ fasst eine crossmediale Vorgehensweise zusammen, bei der sämtliche mediale Formen kombiniert, verlinkt und verschränkt werden. Hier werden Geschichten erzählt, Neugier geweckt, Spannung aufgebaut und Höhepunkte erlebt.
Professionelles bzw. fachmännisch anmutendes Marketing entsteht nicht auf Knopfdruck und auch nicht von heute auf morgen. Am Anfang steht, dessen Relevanz zu erkennen, auf sich zu beziehen und aktiv zu werden. Und wenn der erste Schritt ein Video des letzten Auftritts ist, das eben ein klareres Bild des Ensembles vermittelt als eine Beschreibung im Stile: „Wir sind ein junges Orchester und haben Spaß am Repertoire von Fanfaren bis Filmmusik.“